Digitalstrategie
Das DSM versteht Digitalität als einen zentralen strategischen Forschungs- und Entwicklungsbereich. Digitalität beschreibt eine Haltung, die mehr umfasst als ‚Digitalisierung‘, indem sie von der grundsätzlichen Verwobenheit und gegenseitigen, zeitgleichen Transformation „analoger“ und „digitaler“ Bereiche und „materieller“ und „immaterieller“ Kulturen ausgeht: Sie bezeichnet all jene Relationen, die auf Basis digitaler Netzwerke die Produktions-, Nutzungs- und Transformationsweisen materieller und immaterieller Güter ebenso neu bestimmen wie die Konstitution und Koordination individuellen und kollektiven Handelns. ‚Digitalisierung‘ ist kein selbsterklärendes Ziel, vielmehr geht es um die differenzierte Ausbuchstabierung einer Digitalen Kultur, welche einerseits die Ziele des DSM in Forschung, Ausstellung, Sammlung und Vermittlung bestmöglich stützt und die sich andererseits konzeptuell selbst von deren maritimer Ausrichtung inspirieren lässt.
Ozeane und Meere markieren bis heute Grenzen des Wissens. Ganz paradigmatisch stehen sie für Bereiche, die für uns Menschen nur mithilfe (medien-)technischer Mittel zugänglich sind. Schiffe und andere maritime Technologien können einerseits als Verkörperungen bestimmter Annahmen über die Meere und unser Verhältnis zu ihnen verstanden werden. Andererseits geben sie Aufschluss über eine jahrhundertelange Geschichte (globaler) Kommunikations- und Handelsnetzwerke. Unsere heutigen digitalen Infrastrukturen beruhen auf maritimen Infrastrukturen – Stichwort Unterseekabel. Und maritime Infrastrukturen sind ohne digitale Technologien nicht mehr zu denken. Doch maritimes Kulturerbe ist Ausdruck einer viel längeren Geschichte von Globalität, die es – ebenfalls mit digitalen Mitteln – zu erschließen gilt. Unsere vielfältige Sammlung maritimer (Groß-)Objekte, Bild- und Textquellen stellt dabei einen methodisch und technisch anspruchsvollen Kontext für qualitätsvolle Digitalisierungsprozesse dar. Anders als viele Objekte der Hochkultur sind Objekte des maritimen Kulturerbes oftmals schlecht erhalten; nicht selten zeugen unterschiedliche materielle Spuren von wechselnden Nutzungsweisen; und manchmal drohen diese Spuren aufgrund von Materialveränderungen mit der Zeit zu verschwinden. Durch die Erstellung hochauflösender digitaler Objekte wird daher nicht nur fragiles Kulturerbe bewahrt, sondern es werden auch facettenreichere Objektgeschichten erschließbar.
Diese Zusammenhänge nimmt das DSM zum Anlass, angewandte Digitalisierungskompetenzen mit reflektierenden theoretischen und konzeptuellen Forschungen zu digitalen Medien, Technologien und Methoden zu verknüpfen. Zudem geht der am DSM unternommene Aufbau eines Baukastens sich ergänzender und nutzungsorientierter Digitaltechnologien mit einer engen Einbindung naturwissenschaftlicher Institutionen in interdisziplinären Kooperationsprojekten einher. Damit eröffnen wir Zugänge für eine noch vielschichtigere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den DSM-Sammlungsobjekten. Der wissenschaftsgeleitete Einsatz digitaler Angebote, Tools und Ressourcen am DSM dient der Erhöhung seiner internationalen Sichtbarkeit in Öffentlichkeit, Forschung und Transfer; er ist Teil der Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung für kooperative internationale Forschung, Lehre und Vermittlung; und er bewahrt nicht zuletzt schutzbedürftiges maritimes Sammlungsgut. Wir verstehen und leben Digitalität im Sinne einer intensivierten Hinwendung zu unseren Publika und zu unseren Objekten. Im Zuge dessen fördert das DSM aktiv die Wissensverbreitung und -vernetzung. Ein offener und möglichst freier Zugang zu digitalem Kulturgut (Open Access, Open Data) ist dabei für uns selbstverständlich.
Auf dem Weg zum postdigitalen Museum: Bis 2031 wird das DSM auf Grundlage seiner Digitalstrategie und mit seinem ambitionierten Programm einer wissenschaftsgeleiteten Digitalisierung substanzielle Bereiche seiner Objektsammlung unter der Perspektive einer Tiefenerschließung erfasst haben und einen Großteil seiner Archivalien digital in Datenverbünden zugänglich machen. Es wird sich in dieser Zeit noch stärker zu einem national und international anerkannten Akteur für digitale Applikationen und Kommunikationsformen im Bereich der Vermittlung maritimer Themen entwickeln. Es wird partizipations-orientierte und inklusive Projekte innerhalb des Museums und mit externen Partnern initiieren und begleiten und experimentiert an der Schnittstelle analoger und digitaler Formate.
Es wird eine führende Rolle in der wissenschaftlichen Reflexion digitaler Medien im Kontext musealer materieller Objektkulturen einnehmen und als aktiver Knotenpunkt weitgespannter Kooperationsnetzwerke in Bezug auf digitale Erschließungs-, Präsentations- und Datenmanagementfragen wirken. Es wird qualitative Standards in der 3D-Objekterfassung setzen und mit wegweisenden Interface-Lösungen experimentieren, die einen inklusiven Zugang und eine interaktionsorientierte Arbeit mit seinen Sammlungs- und Archivbeständen für unterschiedlichste Nutzer:innengruppen ermöglichen.
1. Materialität: Tiefenerschließung
Das DSM erforscht, entwickelt und reflektiert Methoden und Techniken der 3D-Erfassung, -Modellierung und -Animation im Sinne einer nicht-invasiven Tiefenerschließung. Darunter verstehen wir:
Materialbezogene Erschließung: Dies betrifft die Untersuchung stofflicher und funktionaler Eigenschaften der Objekte. Ziel ist es, ein tiefes Verständnis für das Material und seine Eigenschaften zu entwickeln, ohne die Objekte physisch zu beschädigen oder zu zerstören.
Einsatz avancierter Technologien: Hierbei werden moderne Methoden und Verfahren genutzt, um dreidimensionale Objekte zu erfassen und zu digitalisieren. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz von 3D-Scannern, Mikroskopie oder anderen bildgebenden Verfahren wie CT- oder MRT-Scans erfolgen
Darstellungsbezogene Perspektiven: Dies betrifft die Nutzung von Extended Reality (XR) und Augmented Reality (AR), um die Sammlungsobjekte in einem digitalen Raum darzustellen und zugänglich zu machen. Diese Technologien ermöglichen es, die Objekte in einem interaktiven und immersiven Umfeld zu erleben, was das Verständnis und die Auseinandersetzung mit den Objekten vertiefen kann.
Eine solche Tiefenerschließung öffnet neue Kontexte für die Sammlung und ihre Objekte, die das Potenzial von Museen als Forschungsorten erst wirklich zum Leben erwecken. Besonders „anschlussfähige“, interdisziplinär interessante Sammlungsobjekte und die mit diesen verbundenen detaillierten Objektgeschichten sowie multidimensionale Nutzungsmöglichkeiten der generierten Daten rücken dabei in den Vordergrund. Diese können mit weiteren Informationen, beispielsweise aus dem Umwelt- und Sozialbereich, verknüpft werden. So können z.B. Modelle entwickelt werden, die Veränderungen in Biodiversität, Technologie und Kultur abbilden. Solche Modelle sind wertvolle Ressourcen für evidenzbasierte Prognosen und darauf basierende Handlungsoptionen, die zur Bewältigung globaler Herausforderungen beitragen.
2. Partizipativität und Inklusion
Neben ausgefeilten Techniken und Methoden der Digitalisierung geht es vor allem auch darum, die interaktiven und partizipativen Möglichkeiten digitaler Medien zu evaluieren, adäquat zu nutzen und in Forschungsprozesse zu integrieren. Gemeinsam mit den Bereichen Vermittlung und Ausstellung wird das erfolgreiche Zusammenspiel analoger und digitaler Partizipationsformate in Bezug auf maritime Objekt- und Archivaliensammlungen adressiert (DSM Forschungs- und Ausstellungsprogramm).
Interaktions- und Partizipationsformen: Durch die Entwicklung und Nutzung digitaler Bildgebungs- und Interaktionstechnologien können Nutzer:innen auf neue Arten mit den Sammlungsobjekten interagieren und an ihrer Erschließung teilhaben.
Gemeinsame Wissensproduktion: Das DSM setzt auf die Potenziale digitaler Anwendungen z.B. für Citizen-Humanities-Ansätze.
Digitale Inklusion und barrierearme Interfaces: Wir setzen auf die ko-kreative Entwicklung virtueller Infrastrukturen für Ausstellung und Vermittlung unter Einbezug z.B. von Betroffenenverbänden. Der direkte und langfristige Austausch mit ‚Expert:innen aus Erfahrung‘ erlaubt es uns, durchdachte und möglichst zielgruppengerechte Formate zu entwickeln. Unser Entwicklungsansatz ist hier dialogisch und daher iterativ, da sich die technischen Möglichkeiten und die Bedürfnisse der Zielgruppe kontinuierlich verändern.
3. Nachhaltigkeit
Das DSM priorisiert den behutsamen und langfristig orientierten Aufbau von Prozessen und Ressourcen vor der Erstellung publicityträchtiger, aber oft weiternutzungsunfreundlicher digitaler Hochglanzprodukte. Es gilt, als Museum auch unabhängig von privatwirtschaftlichen Agenturen agieren zu können. Auf Basis der am Haus aufgebauten IT-/Softwareexpertisen und Hardwareausstattung können erfolgversprechende Kooperationen „auf Augenhöhe“ gesucht und ausgewählt werden. Dieser strategische Ansatz trägt auch den schnellen und wechselnden technologischen Entwicklungen im Digitalbereich Rechnung. Dabei werden folgende Konzepte integriert:
Anpassbarkeit der Codes: Möglichst wenig Rückgriff auf proprietäre Lösungen bei der Entwicklung digitaler Anwendungen durch das hauseigene Team oder eine verlässliche, transparent arbeitende Agentur, mit der die in der Programmierung verwendeten Sprachen und Bibliotheken gemeinsam festgelegt werden.
Langfristige Kooperationsprojekte mit thematisch, konzeptuell oder geografisch „benachbarten“ Institutionen (Museen, Archive, Universitäten …), welche ebenfalls in den Support und die Weiterentwicklung der Anwendung investieren. Netzwerkorientiertes Ressourcenpooling (auch Aufbau von Software-Communities über die Open-Source-Eigenentwicklungen).
Flexible Nutzbarkeit der Anwendungen, die einen Einsatz in verschiedenen Bereichen erlaubt (z.B. 3D-Viewer im Digitalen Depot und im Rahmen von Ausstellungen).
Enge Kooperation als Partner u.a. im NFDI-Verbund, um die nachhaltige und normierte Publikation, Speicherung und Wiederverwertbarkeit von Daten sicherzustellen und Synergieeffekte von Datenverbundprojekten zu nutzen.
Das vollständige Strategiepapier
Hier finden Sie den Link zum vollständigen Strategiepapier: